Der Mercedes 300 SEL 6.8 AMG „Rote Sau“ mit Erhard Melcher


Erhard Melcher ist das „M“ von AMG („Aufrecht, Melcher, Großaspach“). Der ausgewiesene Motorenexperte spricht im Interview ausführlich über die Anfänge der Tuningschmiede. Und über die „Rote Sau“, den riesigen roten Rennwagen auf Basis der Luxuskarosse Mercedes 300 SEL 6.3, die mit ihrem auf 6.8 Liter aufgebohrten AMG-Motor 1971 bei den 24 Stunden von Spa den sensationellen 2. Platz belegte.

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„Zwei Wochen vor Spa fuhr Helmut Kelleners die Rote Sau kaputt. Aufrecht ging an die Decke.“


Erhard Melcher, Gründer von AMG (Foto: Motorikonen)

Mercedes-Benz 300 SEL 6.8 AMG „ROTE SAU“


Technische Daten
Motor: Achtzylinder-V-Motor (M100), 6.835 ccm, 428 PS, 608 Nm
Kraftübertragung: ZF Fünfganggetriebe
Länge: 5.000 mm
Radstand: 2.865 mm
Fahrleistungen: 0-100 in 6,1 Sekunden, Vmax 265 km/h
Leergewicht: 1.635 kg
Stückzahl: 1

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Preview: Erhard Melcher im Interview.

Die Motorikonen Folge über die aufregenden Anfangsjahre von AMG. Und über den Bau der „Roten Sau“. Unten ein kleiner Auszug.

Eine der zwei Mercedes-eigenen Nachbauten des 300 SEL 6.8 AMG (Foto: Motorikonen)
Marke Motoerikonen: Wie wurde AMG eigentlich gegründet? Und von wem?
Erhard Melcher: Aufrecht wollte das die ganze Zeit, der hat immer rumgemacht, ich soll das doch machen. Und ich wollte aber nicht so recht. Dann hab ich es aber doch gemacht. Dann haben wir dieses Gelände in Burgstall gefunden und ich war sofort begeistert. Das erinnerte mich an meine Heimat im Bergischen Land. Da vorn waren Turbinen, dahinten der Fluss und eine ziemlich verfallene Werkstatt. Aufrecht wollte was besseres. Aber ich hab gesagt, der Ken Tyrell, der arbeitet auch in so einem Holzverschlag. Also hab ich mich durchgesetzt und hier die Firma AMG gegründet. Hab sie erst im Juni oder Juli angemeldet, aber schon im April angefangen. Am 31. März 1967 hab ich bei Daimler aufgehört. Und zack bumm war ich hier. Am Anfang hab ich die Zylinderköpfe gefräst, später kam dann mein Bruder dazu. Der konnte das auch. Die Mercedes-Jungs konnten das nicht so, aber mein Bruder und ich, wir waren da handwerklich auch richtig kräftig genug, um das zu machen. Aufrecht hat die Motoren geschraubt abends und wir haben sie tagsüber vorbereitet, Zylinderköpfe bearbeitet, Pleuel erleichtert, Kolben leichter gemacht und so weiter. Das lief hier wie verrückt, der Mercedes /8 hat diese Firma hier groß gemacht. Wir haben dann im Baukastensystem die Vergasermotoren umgebaut.  
Marke Motoerikonen: Wie kam der Erfolg des 300 SEL 6.8 AMG in Spa 1971 zustande?
Erhard Melcher: Das hat ja eine Vorgeschichte. Nämlich von 1969 von Mercedes. Die wollten damals in Spa mit dem Auto auch Rennen fahren. Das ist ja so in die Hose gegangen, weil der Waxenberger nichts homologiert hat und glaubte, er fährt da vorne rum. Die Motoren hielten nicht, die hatten bloß ein Automatikgetriebe, die Motoren wurden zu hoch gedreht, da gingen die Pleuellager kaputt, die Nockenwellen gingen kaputt. Das haben sie verschwiegen, die haben immer nur behauptet, die Reifen gehen nicht, aber Reifen kann man wechseln. Die wussten auch, sie können das Rennen nicht gewinnen. Die BMWs und die Capris waren damals so stark. Und auch Alfa Romeo mit der Giulia, die fuhren zwar in einer anderen Klasse, aber die waren höllisch schnell. 
Marke Motoerikonen: Mercedes ist die Rennen dann wahrscheinlich noch mit dem serienmäßigen 6.3 Liter Motor gefahren, oder?
Erhard Melcher: Nein, der war schon frisiert, aber da kann ich nur drüber lachen. Die hatten Saugrohre aus Alublech gemacht, aber so konservativ. Wir haben sie ja über Kreuz gemacht, aus Kunststoff. Die Alurohre waren deutlich schlechter in der Leistung, weil man die Alurohre nicht so biegen konnte wie man das musste. Wir haben in dem Motor fast 400 PS gehabt, aber der Motor von Mercedes hatte noch nicht mal 300. Es ist so schrecklich, was die alles nicht konnten. Da hat kein Mensch mal einen leichten Schlepphebel gemacht oder ein leichtes Pleuel. 
Marke Motoerikonen: Was haben Sie denn verändert an dem 6.3er Motor für Spa?
Erhard Melcher: Erstmal war das ein 6.8 Liter, der hatte also eine größere Bohrung. Eine 107er Bohrung anstatt 103. Der Hub war gleich, 95. Den endgültigen Motor hab ich aber nicht gemacht, ich hab die ganzen Vorarbeiten gemacht, wir haben ja vorher schon massenhaft 6.3 Liter frisiert. Ich hatte vor zu gehen, ich wollte Aufrecht verlassen. Mein Vater war gestorben, mit 64, ganz elend, ich hatte einen Unfall gehabt und ich kriegte hier immer mehr Bürokratie an die Backe und das wurde mir alles zuviel. Dann bin ich im Frühjahr 71 gegangen, hab aber hinterlassen: Die leichten Pleuel, die leichten Triebwerksteile, ich hab praktisch die ganzen Vorarbeiten für den Motor gemacht. Ich hab sogar einen Einzylinder gebaut, wo diese Teile alle drin waren, die hätte man da erproben können. Weil nämlich, wir hatten doch kein Material. Der Motor war damals der teuerste Motor in Deutschland. Der 6.3 Liter war im 600er und im 300 SEL 6.3, das war ein sauteurer Motor und wir hatten immer nur einen oder zwei. Und Nockenwellen auch, die haben wir auf dieser Maschine da geschliffen, das war eine Schinderei, aus einer Serienwelle eine Rennwelle schleifen, das ging alles sehr langsam und dann noch verschiedene Steuerzeiten und Erhebungskurven. Da hat man am Einzylinder schneller machen können. Aufrecht wollte das nicht, der wollte immer gleich einen Vollmotor haben. Ich nicht, ich wollte eigentlich rumspielen. Und er wollte immer Ergebnisse. Wir haben uns perfekt ergänzt, ich war der Spieler und Entwickler und er war immer der Macher. Das war eine gute Mischung. 

Das ganze Interview: Jetzt bei Motorikonen im Podcast.

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